Im Zuge meiner Vorstellung des German Kaiju Universums möchte ich Markus Heitkamp noch ein paar Fragen stellen.
Swapnix: Hallo Markus, erkläre doch kurz nochmal was ein Kaiju ist und warum du der Meinung bist, dass es auch in Deutschland Kaiju braucht!
Markus:Kaiju ist ein Begriff aus dem japanischen Wortschatz und bedeutet so viel wie seltsame oder rätselhafte Bestie, wird aber häufig einfach als „großes Monster“ übersetzt.
Deutschland braucht Kaiju, weil wir hier in Deutschland eine sehr große Fan-Base des alten japanischen Kaiju-Eiga (der jap. Monsterfilm) und nicht weniger Anhänger des „neuen“ amerikanischen Monsterverse haben, aber im Gegensatz zu vielen anderen Ländern kein eigenes großes Monster. Großbritannien hat Gorgo, Japan hat Godzilla, Korea hat Yonggari, Amerika hat King Kong, Norwegen hat Troll und die Liste ist noch um einiges erweiterbar.
Was haben wir? Den Drachen aus den Nibelungen, Rübezahl? Und welche deutschen Großstädte haben die zerstört?
Und letztendlich sind wir eine Nation von Leser:innen und Dichter:innen. Also brauchen wir nicht nur den Monsterfilm, sondern halt auch das Monsterbuch.
Swapnix: Und wie kam es dazu, dass die Geschichten dann im Leserattenverlag bei Marc und Tanja landeten?
Markus:Auf die Gefahr hin, dass ich weiterhin alle langweile, die mich kennen und diese Geschichte nun zum 100. Mal lesen, aber alles begann an einem Sonntag im Jahre 1975 in einem kleinen Vorstadtkino im Ruhrgebiet.
Dort hat der kleine Markus, also ich, in der Jugendvorstellung um 15 Uhr im zarten Alter von 6 Jahren den Film “Godzillas Todespranke” gesehen. Eine absolute Mogelnummer, weil es sich bei dem Monster in dem Film gar nicht um Godzilla, sondern um den südkoreanischen Yonggary handelte. Auf genau dieses Thema “Mogelpackung” komme ich später noch einmal zurück.
Machen wir einen kleinen Zeitsprung. Juli 2017. Der kleine Markus, immer noch ich, ist mittlerweile fast 50 Jahre alt, im Nebenberuf Autor und wir befinden uns auf der FeenCon im beschaulichen Bad Godesberg. Noch genauer, auf einer Sitzbank vor der Theke der dort befindlichen Kirschbier-Taverne. Neben mir Marc Hamacher, der damals noch recht frische Verleger und Inhaber des Leseratten-Verlages. Wie kam es zu diesem folgenschweren Treffen. Also, alles begann an einem Sonntag im Jahre 1975 in einem kleinen… ach nee, hatten wir ja schon.
Die Freude an Kaiju bzw. am Kaiju-Eiga, dem japanischen Monsterfilm, den menschlichen Darstellern in Monsterkostümen (Suitmotion), die durch Modellbau-Kulissen stampfen, hat mich nie wieder losgelassen. Mehr noch, die Faszination stieg über die Jahre an. Was mir im Laufe der Jahre jedoch immer wieder auffiel, war, dass es keine Literatur zu Kaiju gab. Ich konkretisiere. Keine oder kaum belletristische Literatur. Es gibt hervorragende Fachbücher auch von deutschen Schreibenden, wie Jörg Buttgereit oder Detlef Claus, aber halt nichts wirklich Literarisches.
Das wollte ich ändern. Und so saß ich mit Marc auf der Bank und präsentierte ihm nicht einfach nur eine Idee, sondern (er beschreibt das sehr schön in seinem Vorwort zu German Kaiju) ein komplettes Konzept inkl. Werbung, Illustrationen und geplanter Übersetzung in fremde Sprachen. Kleine Anekdote am Rande, Mark kannte mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht und wie es sich für Fluchttiere (was Verlegende ja nun mal sind, wenn ein unbekannter Autor mit einer sehr irren Idee um die Ecke kommt) gehört, ist er erst einmal verschwunden. Und hat sich dann bei Torsten Low nach mir erkundigt. Letztendlich haben wir es also eigentlich wieder einmal dem Großmeister des humoristischen Horrors zu verdanken, dass 2019 die Anthologie German Kaiju erschien.
Swapnix: Aber nach dem ersten Kurzgeschichtenband German Kaiju, war ja dann nicht Schluss, warum?
Markus: Weil ich ausnahmsweise mal Recht hatte. Ja, German Kaiju ist eine Idee und ein Herzensprojekt von mir und bedient eine kleine Nische, aber German Kaiju ist auch als solches Nischenprodukt erfolgreich. Die erste Anthologie, ist in der 2. Auflage und verkauft sich weiterhin gut, die Nachfrage nach Nachschub ist vorhanden. Als ich meinem Verleger ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung von German Kaiju erzählte, ich könne mir gut vorstellen, eine Novelle dazu zu schreiben und noch einiges mehr, da sagte er, „erst einmal abwarten, wie erfolgreich das so wird“. Wieder ein halbes Jahr später rief er mich an und sagte: „Ich habe ne tolle Idee, lass uns mal ne Novelle machen…“.
Swapnix: Nach deiner ersten Novelle kam als nächstes ein weiterer Kurzgeschichtenband, war es da schwieriger Schreibende für zu bekommen als beim ersten Teil?
Markus: Nein, bei German Kaiju ist es genau andersherum. Ich konnte und kann mich nicht retten vor Autor:innen, die gern im German Kaijuversum mitmischen wollen. Jeder scheint irgendwo in der Schublade noch eine Idee zu haben, die von einem Riesenmonster handelt. Und tatsächlich vergeht nicht eine Woche, wo ich nicht eine Anfrage bekomme, ob diese oder jene Geschichte passen würde, wann denn die nächste Anthologie erscheint und einiges mehr.
Markus: Also zunächst mal entscheide ich nicht selbst und ausschließlich. Was im Leseratten-Verlag veröffentlicht wird, liegt in der Hand des Verlegers, aber für mein Baby habe ich so etwas wie ein Veto-Recht. Eigentlich ist das aber mehr Teamarbeit zwischen dem Verleger, Tanja K. als Lektorin, Christian G. als Illustrator, dem jeweiligen schreibenden Menschen und mir. Vorgaben habe ich nicht viele. Ich mag nicht gern die klassischen Monster, auch wenn sie eigentlich Kaiju sind. Also der Drache ist fantastisch, und kann auch im Genre des Kaiju eine Daseinsberechtigung haben, aber ist für meine Anforderung an das Kaiju-Genre schon fast zu realistisch oder aber auch einfach nur zu ausgelutscht. (Liebe Drachen, nichts für ungut und Mitlesende sind von dieser Meinung ausgeschlossen.) Und ich möchte im Kanon des German Kaijuverse ungern Türen zuschlagen oder aufmachen, die dann für spätere Geschichten Wege verbauen. Ein Beispiel (und bitte, ist nur meine ganz persönliche Meinung) die Idee einer Hohlerde im amerikanischen Monsterverse ist ja ganz nett, führt aber auch dazu, dass dieses Thema nun gesetzt ist und aus diesem Kanon nicht mehr wegzudenken ist. Damit schränkt man sich auf vielen Ebenen ein. Besser wäre es gewesen, wenn man über die Vermutung einer solchen Dimension gesprochen oder geschrieben, diese aber nicht als gegeben festgelegt hätte. Ein zweites Beispiel gefällig? In der 2. Anthologie, German Kaiju – VERDAMNt! heißt die wunderbare Geschichte der ebenso wunderbaren Isa Theobald, „Die freundlichen Tentakel aus der Nachbarschaft“. Ein grauenvoller Titel. Mein favorisierter war, „Das Grauen schleicht durch Bliesmengen-Bolchen“. (Abgeleitet von „Das Grauen schleicht durch Tokio“, ein absoluter Klassiker des jap. Monsterfilms). Hier habe ich einfach versäumt, mein Veto einzulegen. Ich mag die alten klassischen Kaiju-Eiga Filmtitel, deren markige Sprüche so absolut nichts mit den Inhalten der Filme zu tun haben. Der Klassiker in German Kaiju von Thomas Williams, „Frankensteins Raketenmonster im Blutrausch“. Kein Frankenstein, keine Raketen, kein Blutrausch. SO muss es sein.
Eine Geschichte abgelehnt habe ich bisher tatsächlich noch nicht, aber interessierte Autor:innen müssen sich darauf einstellen, dass der Verlag max. zwei Veröffentlichungen im Jahr für das Kaijuversum vorsieht und wir bis 2027 einschließlich bereits verplant sind.
Swapnix: Was wünscht du dir für dein Kaiju Universum? Wo soll die Reise hin gehen?
Markus: Lieber Tommy Krappweis, wenn du das lesen solltest und Bumm-Film mal so richtig Bock auf eine deutsche Monsterserie hat, ich würde, um Kosten zu sparen auch in ein Monsterkostüm steigen. Mein Synchron-Brüllen dann bitte von Herrn v. Aster. Danke.
Swapnix: Lieber Markus, herzlichen dank für das spannende Interview, ich bin gespannt auf alles, was da kommt!